Diese Qualitäten zeichnen erfolgreiche Trainer (und Führungspersonen) aus

Eine Fußballerin ist bereit den Ball zu schießen.

Melanie Leupolz: "Gute Trainer sind Psychologen, die eine Mannschaft zusammenschweißen"

Melanie Leupolz ist eine echte Erfolgssportlerin. Für die deutschen Nationalmannschaften und Vereine bestritt sie 302 Fußballspiele, davon 217 gewonnen und 33 unentschieden (Quelle: DFB). Bei Olympia gewann sie Gold, wurde mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister und mit dem FC Bayern München gewann sie zwei Mal die deutsche Meisterschaft. Im Sommer 2020 wechselte sie nach England zu Chelsea LFC und wohnt heute in London. Sie ist wohl die deutsche, weibliche Antwort auf Pelé und Christiano Ronaldo zusammen. Im Gespräch mit Andreas Klement erklärt sie, auf welche drei Erfolgsfaktoren es im Frauenfußball vor allem ankommt:

  1. Das Team hinter der Cheftrainerin
  2. Leadership-Qualitäten & psychologisches Feingefühl der Cheftrainerin
  3. Teambuilding und Mannschaftsgeist

Professionalisierung im Frauenfußball: So wichtig ist ein gutes Team hinter den Kulissen

Melanie Leupolz hat die harte Arbeit und der Spaß am Fußball in die englische Profiliga geführt. In ihrer ersten Saison für Chelsea gewann sie direkt die englische Meisterschaft und den FA Womens Cup. Zusätzlich stand sie im Finale der Champions League, musste sich dort jedoch dem FC Barcelona geschlagen geben.

 

An der Spitze der Mannschaft steht als Managerin Emma Hayes, vergleichbar sei die Position mit einem Cheftrainer in Deutschland, sagt Leupolz. Hinter der Managerin steht bei Chelsea ein großes Team. „Da gibt es sämtliche Co-Trainer, Analysten, wir haben eine Person die ‚Head of Performance‘ heißt, wir haben einen Torwarttrainer, wirklich einen riesengroßen ‚Staff‘, was deutlich größer ist als in Deutschland“, beschreibt Leupolz die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischen Frauenfußball. Für sie war das eine der größten Überraschungen nach dem Wechsel: „Ich war überwältigt, weil so professionell hatte ich es mir dann auch nicht vorgestellt. Ich kannte das aus dem Frauenfußball nicht.

Was den „Head of Performance“ auszeichnet

Der sogenannte „Head of Performance“ kümmert sich unter anderem um die Organisation und die Koordination, zum Beispiel von Meditationseinheiten. „Er kümmert sich aber auch, dass wir gut versorgt sind, was Nahrungsergänzungsmittel betrifft. Wenn wir sportmedizinische Untersuchungen haben, dann ist er es, der alles organisiert. Er ist auch sehr bestrebt, dass die Bedingungen immer besser werden bei Chelsea“, so Leupolz. Letztlich macht er es möglich, dass Spielerinnen eine gute Performance abrufen können. So kann sich die Managerin voll auf das konzentrieren, was auf dem Platz passiert. Als Leupolz mit dem Profi-Fußball anfing – beim FC Freiburg und anschließend beim FC Bayern – sei das noch anders gewesen. Da habe der Cheftrainer viele der Aufgaben übernommen, für die es bei Chelsea Spezialisten gibt. Auch in Deutschland wandele sich das inzwischen und Scouts und Sportdirektoren entlasten die Trainer, sagt die Profi-Fußballerin.

Mentale Unterstützung: die essenzielle Rolle der Cheftrainer/Innen

Damit hat sich die Rolle von Cheftrainern etwas verschoben. „Ich finde, dass die Cheftrainer mittlerweile auch eine Psychologenrolle einnehmen. Letzten Endes ist ihre Hauptaufgabe, dass die Mannschaft eine Mannschaft ist. Da machen wir auch verschiedene Teambuilding-Sachen oder kleine Spielchen. Und Emma sorgt auch immer dafür, dass jeder richtig eingestimmt ist für das Spiel.“ Die Mannschaft muss harmonisieren. Das heißt auch, dass der einzelne Spieler sich nicht zu wichtig nimmt. Eine erfolgreiche Mannschaft hat ein gemeinsames Ziel – sei es die Meisterschaft oder die Champions League Qualifikation. Jeder muss sich dabei auf die eigene Arbeit konzentrieren und Spielerinnen müssen das eigene Ego zurückzustellen – auch wenn sie beim entscheidenden Spiel auf der Bank sitzen. Der Ehrgeiz, die Fokussierung und ein guter Trainer helfen dabei, dass alle an einem Strang ziehen.

Weiblich vs. männlich: Gibt es Unterschiede im Führungsstil?

Melanie Leupolz hat in ihrer Karriere weibliche und männliche Trainer erlebt. Aber gibt es da einen Unterschied im Führungsstil? Sportlich gesehen nicht, sagt Leupolz. „Letzten Endes ist der größte Unterschied das Emotionale oder das Soziale, dass Frauen eben wissen, wie Frauen ticken.“ Die ehemalige deutsche Nationaltrainerin Silvia Neid, zum Beispiel, sei eine echte Führungspersönlichkeit mit dem entsprechenden Charisma, erzählt Melanie Leupolz. „Sie hat es geschafft, diese sportliche Komponente, aber auch dieses Persönliche sehr groß zu schreiben.“ Auch Chelseas Managerin Emma Hayes sei eine derart beeindruckende Persönlichkeit, die große Stärke ausstrahle und der die enge Beziehung zwischen Trainerin und Spielerin wichtig ist. „Gerade als neue Spielerin weiß man das zu schätzen, dass die Trainerin sich um einen kümmert. Sie bindet mich auch sehr in taktische Fragen mit ein und da fühle ich mehr sehr gut aufgenommen.“ Motivation sei Hayes große Stärke. In Freiburg auf der anderen Seite hatte die Fußballerin nur männliche Trainer: Leupold mochte da die Direktheit, dass sie „sagen, was ihnen gefällt und was ihnen nicht gefällt“.

Trainer und Mannschaftsgeist als Erfolgsfaktoren

Was also macht einen guten Trainer aus? Wer beispielsweise ein guter Fußballspieler ist, wird nicht gleich ein guter Trainer. „Das sind zwei absolut verschieden Berufe“, sagt Melanie Leupolz, die sich selbst nicht vorstellen kann, später als Trainerin zu arbeiten. Zwar bringen ehemalige Spieler das technische Verständnis für den Sport mit, Cheftrainer brauchen zudem aber psychologisches Fingerspitzengefühl, um das Mannschaftgefüge zusammenhalten. „Das stelle ich mir zum Beispiel bei Jürgen Klopp hervorragend vor, dass er eine sehr enge Beziehung zu seinen Spielern hat, auch auf gleicher Augenhöhe.“ Gute Trainer, sagt Leupolz, haben oft ein Bauchgefühl, auf das sie hören müssen, und können ihre Entscheidungen entsprechend kommunizieren.

Die Karriere nach der Karriere

Wer im Sport erfolgreich ist, ist gut beraten, sich rechtzeitig auf die Zeit nach dem Sport vorzubereiten. Melanie Leupolz hat neben dem Sport das Abitur gemacht und studiert gerade für einen Master in Wirtschaftspsychologie. „Mir war immer bewusst: Diese fußballerische Karriere kann sehr, sehr schnell vorbei sein, durch eine Verletzung zum Beispiel. Und ich fände das eine ganz, ganz schreckliche Vorstellung, wenn ich nicht dieses zweite Standbein hätte.“ Der enge Zusammenhalt im Team, Spaß an dem, was man tut, die sozialen Kontakte – diese Erfahrungen aus dem Spitzensport will Melanie Leupolz nach Karriereende auch an andere weitergeben. Schließlich sind das auch im normalen Berufsleben wichtige Erfolgsfaktoren.

Sportler als Vorbilder

Sportler sind für viele Menschen ein Vorbild, doch in den letzten Monaten haben sich einige Sportler durch wilde Corona-Verschwörungstheorien nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Melanie Leupolz ist sich ihrer Vorbildfunktion sehr bewusst. „Wir vertreten große Vereine, wir vertreten den Frauenfußball, wir vertreten aber auch die Nationalmannschaft und ich glaube, man ist automatisch in dieser Vorbildrolle. Wir spielen da, wo tausende Kinder am liebsten auch spielen wollen. Deshalb müssen wir bewusst mit dieser Rolle umgehen.“ Privat und beruflich. Ihr Geheimtipp für angehende Profifußballerinnen: Mädchen sollten so lange wie möglich bei den Jungs spielen. Dort bekomme man die entsprechende Spielschnelligkeit und Härte. Talent gehöre natürlich immer mit dazu, aber einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Spitzensport sei harte Arbeit und ein starker Wille. „Wenn man sich auf seinem Talent ausruht, dann wird man sehr schnell überholt“, sagt sie. Auch der Spaß sei wichtig, denn nur wer Spaß habe, könne seine beste Leistung abrufen. „Ich glaube, dass Spaß sehr großgeschrieben ist, der Wille, der Ehrgeiz einfach immer besser zu werden, aber das kommt nur, wenn es einem auch Spaß macht.

50 Jahre Frauenfußball

Frauenfußball gibt es in der Bundesrepublik seit inzwischen mehr als 50 Jahren, doch selbst in der Bundesliga sind – anders als bei den Männern – viele Frauen Halbprofis, die neben dem Profisport noch einem weiteren Beruf nachgehen müssen. Damit der Frauenfußball tatsächlich ein Profisport wird, dafür bedarf es vor allem finanzieller Unterstützung für die Spielerinnen. „Hier in England ist es so, dass alle Spielerinnen Profis sein müssen, die in der ersten Liga spielen. Und dadurch glaube ich auch, dass man die Qualität nochmal steigern könnte, wenn die Spielerinnen sich voll auf den Fußball fokussieren“, sagt Melanie Leupolz. Dann wäre mehr Zeit für Regeneration, Ruhepausen und individuelle Einheiten.